Begegnungen mit Literatur, Kunst und Musik
KunstHonnef, Klaus / Osterhausen, Hans-Jürgen von (Hrsg.) unter Mitarbeit von Michael Krejsa und Petra Albrecht:
John Heartfield. Dokumentation. Reaktionen auf eine ungewöhnliche Ausstellung, Köln, DuMont, 1994
Die Erlebnisse und Erfahrungen mit einer Ausstellung des großen Künstlers, dessen Laufbahn mit der Kreation der Dada Bewegung in Deutschland begonnen hatte.
Die Ausstellung, organisiert von der Akademie der Künste Berlin, die den Nachlass von John Heartfield verwaltet, der Landesregierung NRW und dem Landschaftsverband Rheinland in Zusammenarbeit mit dem DuMont Verlag, begann 1991 in Berlin und lief bis 1993/94 in Los Angeles und San Francisco, davor im MOMA in New York, in Edinburgh, Dublin, London, Hannover, Tübingen, Bonn und Berlin. Mehrere 100.000 Besucher hatte sie, vor allem sehr intensiv im englischsprachigen Ausland. Offenbar hatte man dort John Heartfield nie vergessen, der ab 1933 im Exil zunächst in Prag und dann in England lebte.
Vor einigen Jahren hat nun der “Freundeskreis John Heartfield-Waldsieversdorf e. V.”, der im Jahr 2003 gegründet wurde, das ehemalige Sommerhaus von Heartfield Schwarzer Weg 12 am Großen Däbersee in Waldsieversdorf in der Nähe von Buckow im Osten von Berlin als Begegnungs- und Erinnerungsstätte für den Künstler eingerichtet.
Organisation / Unterstützung / Eröffnung von verschiedenen Ausstellungen/Publikationen in den 90er Jahren.
- Werner Stötzer
- Sächsische Landesbibliothek
- Günter Horlbeck
- Irmgard Horlbeck-Kappler
- Dieter Tucholke
- Hella Santarossa
Begegnungen mit Werner Stötzer:
von Hans-Jürgen von Osterhausen
"Denn ein sensibel bearbeiteter Stein
muß am Ende sein wie ein Gedicht."
(Werner Stötzer)
Bonn, Herbst 1987: Die große Skulpturen-Ausstellung aus der DDR ist eröffnet. Mitten in der Halle des Landesmuseums steht eine große, in den Details außerordentlich sensibel gearbeitete Marmorskulptur, die mich vom ersten Ansehen an bis heute berührt: "Der Engel mit dem gebrochenen Flügel".
Ähnliche Arbeiten hatte ich auch schon vorher gesehen, bei den Besuchen in der DDR, z.B. im Kloster Unsere Liebe Frauen in Magdeburg, wo die Türen und die Freifläche hinter dem Kloster/Museum voller einzigartiger Skulpturen waren, wie man sie bei uns im Westen kaum noch zu sehen bekommt, ist doch das Feld der Kunst zwischen Abstraktion und Gegenständlichkeit kaum noch vorhanden gewesen. Und auch die Bildhauerausstellung im Dresdener Albertinum 1987 war sehr interessant, wo ich zum Beispiel eine Skulptur mit dem bewegenden Namen "Guernica (für Paul Eluard)" fand. Und am Abend der Eröffnung in Bonn lernte ich ihn kennen, den Künstler dieser wunderbaren Engel- und Guernica-Skulpturen, Werner Stötzer.
Entstanden war die Ausstellung in Bonn aus dem deutsch-deutschen Kulturabkommen, in dessen Rahmen mein Arbeitgeber, der Landschaftsverband Rheinland, mit der Akademie der Künste der DDR in Berlin-Ost eine Zusammenarbeit vereinbart hatte. In einem ersten Schritt gab es eine Beuys-Ausstellung in Berlin und Leipzig und die Skulpturen Ausstellung in Bonn.
Nach der Ausstellung in Bonn wurde bei uns beschlossen, nach Möglichkeit eine Ausstellung des Bildhauers Stötzer nach Bonn zu holen. Ich wurde als Kulturbeauftragter im März 1989 nach Stade an der Elbe, kurz vor der Nordsee geschickt, wo die Akademie eine Stötzer-Ausstellung eröffnete. Gerne fuhr ich dorthin und war fasziniert von der Eröffnung, an der viele Mitglieder der Akademie teilnehmen. Auch der Direktor, der sich freute, einen Vertreter des Landschaftsverbands zu sehen. Eigentlich stünde eine Stötzer-Ausstellung nicht in ihrem Programm, sagte er, aber vielleicht wären wir ja bereit, im Gegenzug mit ihnen eine Heartfield-Ausstellung zu organisieren. Das verschlug mir die Sprache, aber dann versprach ich, mich schnellstens darum zu kümmern.
Und das Heartfield Projekt wurde eines der größten unserer Zeit zwischen 1989 und 1993 von Berlin über Bonn, London, Dublin, Edinburgh bis New York im MOMA, danach Los Angeles und San Francisco. Und Werner Stötzer hielt im Landesmuseum Bonn die Eröffnungsrede für die Akademie der Künste, war er doch Heartfield schon in den 50er Jahren begegnet.
Die Stötzer Ausstellung war in ihrer ganzen Breite wunderschön. Es war eine Doppelausstellung, zusammen mit einer von Jo Jastram, dem Künstler aus Rostock. Als Jastram dann seine Ausstellung im September 1989 in der Abtei Brauweiler des Landschaftsverbands bei Köln eröffnete, gab es das nächste Treffen mit Werner Stötzer, als dieser die Eröffnungsrede für die Jastram Ausstellung hielt.
Und mal gerade 2 Monate später das nächste Treffen: Im Rahmen der gemeinsamen Planungen mit der Akademie der Künste zu dem Heartfield Projekt hatten wir uns mit den Kollegen in Leipzig verabredet, wo zu dieser Zeit auch die NRW Kulturtage eröffnet wurden. Und am Tag vor dem Mauerfall hatte ich einen Termin mit Werner Stötzer in Leipzig verabredet, damit wir alles Weitere seiner Ausstellung in Bonn gemeinsam regeln konnten. Auch Klaus Honnef, für die Ausstellungen im Landesmuseum Bonn zuständig, und auch die Kollegen vom Dumont Buchverlag, die den Katalog machten, waren dabei.
Werner Stötzer und ich freuten uns sehr, uns schon wieder zu treffen, das dritte Mal in dem berühmten Jahr 1989. Er hatte mir eine alte Chamisso Ausgabe mitgebracht. Die Liebe zur Literatur verband uns auf besondere Weise. Unter anderem lernte ich durch ihn auch die Arbeiten von Martin Stade kennen, ein hier im Westen völlig unbekannter Schriftsteller.
Und ich lernte sehr schnell, dass er sich selbst sehr mit Lyrik beschäftigte. Dafür spricht sein Satz "Denn ein sensibler Stein muss sein wie ein Gedicht". Und 1993 erschien in der "edition refugium", herausgegeben von Matthias Flügge und Bernd Heise ein Band seiner Texte, "Gedanken und Motive", d.h. nur ein kleiner Teil seiner vielen wunderbaren Texte.
Im folgenden Jahr gab es viel zu tun, vor allem weil sich die Arbeits- und Lebensbedingungen in der Noch-DDR veränderten.
Im Frühjahr 90 trafen wir uns in Berlin-Ost. Ich war im Palast-Hotel und er empfahl mir im Restaurant den fantastischen Havel-Zander.
Im Herbst war dann endlich alles klar. Die Finanzierung und Organisation seiner Ausstellung war geregelt.
Im April 91 fuhr ich dann mit der Landschaftverband-Delegation zur Eröffnung nach Berlin. Bei der Eröffnung in den Räumen der Akademie am Robert-Koch Platz mussten Klaus Honnef und ich spontan die Eröffnungsreden halten, da unsere Delegation im Süden von Berlin in einem Stau stecken geblieben war.
Im Herbst war dann die Eröffnung in Bonn, wo wir uns nach einem halben Jahr wiedertrafen. Und im nächsten Frühjahr unterstützen wir sein Bildhauersymposion "Europa ohne Grenzen" am Rande des Oderbruchs ganz in der Nähe seines Heimatortes Altlangsow, Teil der Gemeinde Seelow.
In all der Zeit habe ich durch ihn einen ganz besonderen Zugang zur Kunst bekommen, wie ich ihn vorher nicht kannte. Ganz wichtig für mich war auch, die Kunstszene der DDR zu erleben, die sich natürlich nach der Wende veränderte. Aber ihre immer wieder bewegenden Inhalte, bei der man keinen Einfluss der Staatsmacht spürte, auch wenn deren ständige Präsenz natürlich nicht zu übersehen war. Daher konnte ich auch überhaupt nicht verstehen, dass das neue Museum der Bundesrepublik in Bonn im Bereich DDR Kultur seine Skulptur "Guernica" ausstellte mit dem Kommentar, dies sei ein Projekt im politischen Auftrag. Offenbar wusste man in diesem Museum nicht, dass die Ereignisse um Guernica im Spanischen Bürgerkrieg die ganz Welt bewegt hatte, auch Picasso und Hemingway, und nicht nur die DDR. Mein Protestbrief an die Museumsleitung wurde mehr oder weniger unverstanden beantwortet. Ein typisches Beispiel für den Umgang des Westens mit dem Osten, bis heute oft unverändert.
Unsere Freundschaft ging weiter und wurde immer enger. Wir, d.h. meine Familie und ich wurden nach Rügen in sein Haus, unweit von Putbus eingeladen und auch in den Oderbruch.
Und dann kam er wieder nach Köln, wo er neben der Minoriten (Kolping-) Kirche in der Innenstadt eine große Skulptur aufgestellt hat, die dort heute noch steht und mich immer wieder an ihn erinnert.
Ich hielt im Frühjahr 1992 eine Rede auch zur Eröffnung seiner Ausstellung in Magdeburg und wir trafen uns immer wieder auf der Art Cologne, bei einer Eröffnung in Frankfurt, in Langenfeld usw usw. Mit der Zeit ließ die Intensität der Treffen nach, auch weil mein Leben sich sehr veränderte. Aber vergessen habe ich ihn nicht, habe gelegentlich Kontakt zu seiner Frau Sylvia Hagen, ebenfalls eine Bildhauerin, die wunderbare Werke nach einem eigenen Konzept geschaffen hat.
Mitbekommen hatte ich natürlich auch, dass er immer wieder in Ausstellungen präsent war, in Zürich, am Lago Maggiore, in Duisburg, Düsseldorf, Bremen, Frankfurt, Dresden, Leipzig, Hamburg und natürlich Berlin. Sehr traurig war ich, als ich dann hören musste, dass er im Sommer 2010 wohl zu Hause in Altlangsow gestorben ist.
1995 schrieb ich einen kurzen Text über ihn: "Wer Werner Stötzer kennt, den heute 64jährigen gebürtigen Thüringer, seit Jahrzehnten fest verwurzelt im Oderbruch, das ihm zur Heimat geworden ist, dessen Geschichte und Gegenwart ihm vertraut ist, wie er sich selbst, weiß, daß seine Arbeit sich nicht erschöpft in der Skulptur, Stein und Bronze, oder Zeichnungen und Gouachen, Die Sprache, in Rede und Schrift, ist ein Ausdrucksmittel seiner Kunst, die für ihn große Bedeutung hat. Viele Werke über ihn, Kataloge, sind von ihnen angereichert, bekommen oft durch sie einen zusätzlichen Reiz. Der Mensch Werner Stötzer, seine künstlerische Ausstrahlung erschließt sich durch sie in besonderer Weise".
Und er schrieb mir zu dieser Zeit: "Lieber Freund, nun bist du dran, lese es ein wenig, nimm es nicht so wichtig, vielleicht kommt auch ein wenig Lachen auf."
März 2015